Es wird kaputt gespart PDF Drucken
Mittwoch, den 23. Mai 2012 um 22:56 Uhr

In dem „VERTRAG ÜBER STABILITÄT, KOORDINIERUNG UND STEUERUNG IN DER WIRTSCHAFTS- UND WÄHRUNGSUNION” (SKS) heißt es u.a.:

IN DEM BEWUSSTSEIN ihrer Verpflichtung, als Mitgliedstaaten der Europäischen Union ihre Wirtschaftspolitik als eine Angelegenheit von gemeinsamem Interesse zu betrachten,

IN DEM WUNSCH, die Voraussetzungen für ein stärkeres Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union zu verbessern und zu diesem Zweck eine immer engere Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Euro-Währungsgebiet zu erreichen,

EINGEDENK DESSEN, dass die Regierungen für gesunde und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen sorgen und das Entstehen eines übermäßigen öffentlichen Defizits verhindern müssen, da dies für die Erhaltung der Stabilität des Euro-Währungsgebiets insgesamt von zentraler Bedeutung ist, und zu diesem Zweck spezifische Vorschriften eingeführt werden müssen, einschließlich einer Regel des ausgeglichenen Haushalts und eines automatischen Mechanismus zur Einleitung von Korrekturmaßnahmen.


Wie kann das gehen?

Natürlich durch die Entscheidungsmacht neoliberal denkender, und leider auch dementsprechend operierender Regierungen. Für sie ist Austerität (eisernes Sparen) der überwiegend religiöse Kult.

Wie geht denn das, auf der einen Seite ein stärkeres Wirtschaftswachstum zu fordern, dieses aber durch ausgeglichene Haushalte durch Verhinderung eines öffentlichen Defizits zu erreichen?


Am Beispiel Portugals ist dieser Unsinn von Austerität anzulegen.

Der EU-Beitritt in den achtziger Jahren bescherte Portugal langfristige finanzielle Hilfen seitens der EU. Nicht nur rund um Lissabon entstanden ein ganzes Geflecht neuer Autobahnen und andere ehrgeizige Infrastrukturprojekte. Die Zahl ausländischer Investitionen stieg rapide an, Konzerne wie VW oder Continental bauten große Fabrikanlagen. Zudem erlebte das Land nach Jahrzehnten der Isolation während der faschistischen Diktatur einen regelrechten Kaufrausch. Spätestens seit der Finanzkrise ist es damit vorbei.

Ja, es ist in Wirklichkeit eine Finanzkrise, keine Schuldenkrise. Anders als es uns die Mainstream-Medien gebetsmühlenartig weismachen wollen.

Regelmäßig entsendet die Troika aus EU, Internationalem Währungsfonds und Europäischer Zentralbank (EZB) ihre Finanzexperten, um die Umsetzung der Sparvorgaben zu überwachen.

Von deren Urteil ist die Regierung in Lissabon abhängig, denn ohne die 78 Milliarden Euro »Hilfskredite« aus dem EU-»Rettungsschirm« wäre das Land längst pleite.

Bislang wird dem konservativen Ministerpräsidenten Pedro Passos Coelho großes Lob zuteil. Portugal hat die Sparvorgaben vorbildlich umgesetzt, in einigen Bereichen sogar über das geforderte Maß hinaus. Die Regierung Coelho hat nicht nur die Sozialausgaben, Rentenbezüge und Beamtengehälter gekürzt sowie die Mehrwertsteuer auf 23 Prozent angehoben. Sie schaffte auch noch vier Feiertage ab, darunter den Tag der Loslösung von Spanien im Jahr 1640 und Mariä Himmelfahrt. Nicht einmal vor dem Entrudo, bislang der arbeitsfreie Höhepunkt der Karnevalszeit, machte Coelho halt. Es sei »nicht die Zeit, über Traditionen zu sprechen«, sagte er. Seine Kritiker sollten aufhören, wegen der Sparpolitik »zu winseln«.
Heute erlebt Portugal die schwerste Wirtschaftskrise seiner jüngeren Geschichte.

Diese Situation in Portugal ist in reinster Form ein Zeugnis darüber, dass der europaweit verschriebene Austeritätskurs ein einziger Irrweg ist, da ja Portugal seine „Hausaufgaben“ penibelst nach den Forderungen der „Troika“ gemacht hat.


„Wir wollen, dass Griechenland in der Eurozone bleibt, aber ob Griechenland in der Eurozone bleibt, das liegt in den Händen der Griechenlands und das ist eine Entscheidung, die in Griechenland gefällt wird”. So der deutsche Außenminister.

Griechenlands Wähler haben sich nicht für das Ausscheiden der Eurozone entschieden und werden dies auch in den für Juni anberaumten Neuwahlen aller Voraussicht nach nicht tun. Das Votum des griechischen Volkes war vielmehr ein Votum gegen das zerstörerische Austeritätsprogramm, das dem Land von der Troika (EU, EZB und IWF) aufgezwungen wurde.

Wie Griechenland ergeht es auch Spanien, Italien, Irland und wie vorhin schon zu lesen Portugal.
Warum sollten sich diese Länder von der Troika noch knallharte Bedingungen diktieren lassen, mit denen die ökonomische Basis dieser Länder erodiert und die Bevölkerung in Armut getrieben wird? Auch Portugal hat eine Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50% und leidet erbärmlich unter Merkels Austeritätsknute.


Die Ignoranz und die Gleichschaltung der herrschenden Meinung in Wissenschaft und Medien, in Politik und Wirtschaft war und ist so groß, dass weder die Erfahrung noch die leicht zu verstehende Theorie in gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen die notwendige Wirkung entfalten kann.

Und die gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge sind, auch nach Meinung der beiden amerikanischen Nobelpreisträger der Wirtschaftswissenschaften, Joseph E. Stieglitz und Paul Krugman, in Zeiten der Rezession Geld auszugeben, statt zu sparen. Antizyklisch nennt die Volkswirtschaft dieses Vorgehen. Die andere Variante, die die derzeit von den Austeritätspäpsten anzuwendende, ist die Prozyklische. Nur: Prozyklische Politik destabilisiert Realwirtschaft und Finanzsektor. Diese Politik, dieser Fiskalpakt ist ökonomisch unsinnig, sozial verantwortungslos und beschädigt die Demokratie.

Der enge Zusammenhang von Staatsausgaben und Konjunktur wird ignoriert.


Staatsausgaben sind immer auch Einnahmen der Unternehmen und der Privathaushalte. Das einseitige Betreiben einer Politik des Sparens führt zu Kürzungen der Staatsausgaben. Bei Löhnen, Gehältern, Pensionen, Investitionen wird gekürzt. Die Folge ist ein massiver Rückgang des Konsums, die Binnenwirtschaft wird abgewürgt, das Wachstum sinkt, die Arbeitslosigkeit steigt, eine Rezession setzt ein. Dies alles führt zu einem weiteren Rückgang der staatlichen Einnahmen und letztlich zu noch mehr Verschuldung.

Reine Sparpolitik setzt einen Teufelskreis in Gang, der die Staaten noch tiefer in die Verschuldung führt und große soziale Verwerfungen mit sich bringt. Im Aufschwung ist dieser Nachfrageentzug verkraftbar, im Abschwung verlängert und vertieft er die Talfahrt. Die Schuldenbremse ist in Wahrheit eine Wachstumsbremse. Wie schon einmal geschrieben, die Schuldenbremse (in Deutschland seit dem 1.8.2009 im Grundgesetz festgeschrieben) ist eine gesamtwirtschaftliche Vollidiotie.

Erkannt haben dieses auch schon konservative Regierungen in Portugal, Spanien, England und jetzt auch Frankreich. Hinzuweisen ist hier besonders auf das 60-Punkte-Wahlkampfprogramm des neuen französischen Präsidenten Hollande.


http://www.wiesaussieht.de/2012/05/09/der-60-punkteplan-von-francois-hollande/


Wenn die schwarzgelbe Austeritätswelle weiter in Richtung europäischer Krisenländer schwappen und wüten sollte, geht Europa in die Knie.

Wenn die SPD in Berlin einen Ar... in der Hose hat, greift sie zurück auf ihre Jugendorganisation, und übernimmt die von den Jusos postulierten „Neun Punkte gegen den Fiskalpakt.“


http://blog.jusos.de/2012/05/neun-mal-nein-zum-fiskalpakt/

Das es im übrigen auch ganz anders gehen kann, zeigt Island.

 

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